Forschung an den Schnittstellen zwischen Kopf und Bauch

30. November 2023

Beeinflusst unser Bauchgefühl den rationalen Verstand und kann unser Verstand Funktionen der Organe regulieren? Als neues Mitglied des Direktoriums am Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik wird sich Neurowissenschaftler Ivan de Araujo mit Fragestellungen zu Wechselwirkungen zwischen Körper und Geist befassen. Der Forscher, der zuletzt am Mount Sinai Hospital in New York tätig war, ist ein Experte auf dem Gebiet der Ergründung von Abhängigkeiten zwischen Psyche und Physis.

In seinen Arbeiten zeigt der gebürtige Brasilianer und US-Amerikaner, wie Wahrnehmungen und Entscheidungen eng mit dem Verdauungssystem gekoppelt sind. Als neues wissenschaftliches Mitglied der Max-Planck-Gesellschaft wird sich de Araujo mit seiner Abteilung Body-Brain Cybernetics eingehend der Grundlagenforschung hierzu widmen. Gegenwärtig baut er ein internationales Team aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern unterschiedlicher Fachdisziplinen auf, die in mehreren Forschungsgruppen unter verschiedenen Blickwinkeln zu neuen theoretischen und experimentellen Erkenntnissen kommen wollen. Dabei geht es auch um Störungen der Psyche durch Wechselwirkungen mit dem Magen-Darm-Trakt.

Jüngste Arbeiten von de Araujo haben beispielsweise gezeigt, wie bei der Aufnahme von Nahrungsmitteln unabhängig ihres Geschmacks ein Belohnungsreiz des Darms an das Gehirn gemeldet wird – eine Erkenntnis, die einen wichtigen Beitrag zu Forschungen im Bereich von Essstörungen und Fettleibigkeit leistet; im Feld der Humanforschung wird ihn in Tübingen auch interessieren, wie und warum psychische Zustände wie Angstgefühl, Unwohlsein und Ekel entstehen, welche Regionen des Gehirns dafür verantwortlich sind und wie Prozesse im Gehirn so beeinflusst werden können, dass sie seelische Leiden lindern.

Am Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik wird sich die Abteilung daher mit Fragestellungen beschäftigen, wie Verschaltungen im Gehirn angelegt sind, um Prozesse unseres Organismus regulieren zu können. Dazu gehören auch Untersuchungen zu neurodegenerativen Erkrankungen, bei denen bestimmte Regionen des Körpers aufgrund von Störungen oder Unterbrechungen der Verbindungen zum Gehirn nicht mehr richtig funktionieren.

"Ich freue mich, mit Ivan zusammenarbeiten zu dürfen und bin gespannt, was er in das Institut einbringen wird. Von seinem profunden Wissen und seinen faszinierenden experimentellen Ansätzen werden zahlreiche Forschende am Institut und an den wissenschaftlichen Forschungs- und Lehreinrichtungen Tübingens profitieren. Zu verstehen, wie die unterschiedlichen Prozesse im menschlichen Körper vom Gehirn erfasst und gesteuert werden und wie diese wiederum die neuronale Verarbeitung beeinflussen, sind entscheidende wissenschaftliche Fragen, die über die Psychiatrie hinaus von übergeordneter Bedeutung sind", so Peter Dayan, Geschäftsführender Direktor des Instituts.

Ivan de Araujo studierte Philosophie an der Universität von Brasilia, gefolgt von einem Aufbaustudium im Feld der KI-Forschung an der Universität von Edinburgh. Er promovierte über ein Thema in medizinischer Physiologie und Bildgebung an der Universität Oxford. Als Postdoktorand in der Neurobiologie am Duke University Medical Center identifizierte er neuronale Netzwerke des Gehirns, die mit dem Verdauungstrakt interagieren. Von 2007 bis 2018 leitete er sein eigenes Labor, das Neurobiology of Feeding Laboratory an den Pierce Labs (Yale University), bevor er im August 2018 an die Icahn School of Medicine am Mount Sinai Hospital kam.

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